Ergotherapie
An dieser Stelle möchten wir Ihnen/Euch die Erläuterungen zur traumaspezifischen Ergotherapie von der Ergotherapeutin Susanne Nick zur Verfügung stellen. Herzlichen Dank an Susanne Nick für Ihr Engagement und die freundliche Genehmigung der Verwendung ihres Textes. Die Liste wird derzeit aktualisiert und steht in einigen Wochen wieder zur Verfügung.
Ergotherapie für traumatisierte Menschen
von Susanne Nick
Entwicklung einer traumaspezifischen Ergotherapie:
Ergotherapie richtet sich an Menschen, die in ihrer Handlungsfähigkeit und Selbstständigkeit eingeschränkt sind. Dass es sich bei diesen Einschränkungen möglicherweise um Traumafolgestörungen handelt, die spezifischer Methoden in der Therapie bedürfen, wird allerdings oft nicht berücksichtigt. ErgotherapeutInnen, die traumatisierte Menschen begleiten, haben schon länger die Notwendigkeit erkannt, klassische Ergotherapiekonzepte für diese Arbeit spezifisch abzuwandeln und zu erweitern. Dennoch gibt es von ergotherapeutischer Seite bisher nur sehr wenige Veröffentlichungen zu dieser Thematik und kaum Weiterbildungsmöglichkeiten. Die meisten Ergotherapeutinnen nutzen daher psychotherapeutische und kunsttherapeutische Fortbildungsangebote für den Bereich der Traumatherapie (bei M. Huber, L. Reddemann, L. Besser, S. Lücke u.a.).
Ansätze der Ergotherapie im Traumabereich:
Die „klassische“ Ergotherapie in der Psychiatrie/Psychosomatik ist besonders durch Ansätze der Handlungs- und der Objektbeziehungstheorie sowie der Gestaltungstherapie geprägt. Diese Ansätze eignen sich – etwas abgewandelt – nach meiner Erfahrung gut für die Arbeit mit traumatisierten Menschen. Die Berücksichtigung von Erkenntnissen der Psychotraumatologie, der strukturellen Dissoziation und der achtsame Einbezug von Elementen der ressourcenorientierten Traumatherapie sowie der DBT sind dabei hilfreich und sinnvoll – entsprechende Fortbildungen vorausgesetzt.
Ziel ist die bestmögliche Bewältigung der individuellen Lebenssituation und des damit verbundenen Alltags. Im Fokus der Therapie steht die Förderung der Handlungskompetenz und der Selbstregulation der KlientInnen sowie der dafür erforderlichen körperlichen, kognitiven, psychosozialen und emotionalen Fähigkeiten. Vor dem Hintergrund der traumatischen Erfahrung, des damit verbundenen Kontrollverlusts und der erlebten Ohnmacht ist die Wiedererlangung des Vertrauens in die eigene Handlungskompetenz von besonderer Bedeutung.
Handwerklich-gestalterische Techniken sprechen traumatisierte Menschen als Therapiemedien oft
besonders an und eignen sich mit therapeutischer Begleitung gut für die Aktivierung von kreativ-schöpferischen Fähigkeiten und der darin enthaltenen Selbstheilungskräfte.
Es gibt jedoch in der Ergotherapie noch weitere bewährte Methoden, die je nach Klientin und Symptomatik kompetenzzentriert, ausdruckszentriert, interaktionell, kognitiv oder handlungsorientiert ausgerichtet sind. Bei allen Methoden zu beachten ist ein ressourcenorientiertes, stabilisierendes Vorgehen, ein achtsamer Umgang mit Grenzen, der Schutz vor Retraumatisierung und destruktiven Handlungsmustern.
Ergotherapeutische Medien und Methoden:
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Einsatz handwerklicher, gestaltungstherapeutischer und spielerischer Methoden, z.B. die Arbeit mit Holz, Ton, Pappe, Papier, Farben, Speckstein, Naturmaterialien, Gips, Buchbinden
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Ressourcenstärkung, z.B. Malen eines Ressourcendiagramms, Erarbeiten eines selbstangefertigten Sonnenbuchs zum Festhalten guter Momente, Etablieren sicherer Tätigkeiten, Sichtbares Verankern von Ressourcen durch Malen oder Collagen
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Alltagsmanagement zur eigenaktiven Tagesstrukturierung, zur Bewältigung von Alltagsverrichtungen, soziales Kompetenztraining
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Elemente des Skilltrainings, Stresstoleranz und Spannungsreduktion, z.B. Erarbeiten einer Notfallliste
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Erlernen / Anwenden von Techniken zur Distanzierung und Reorientierung
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Imaginative Übungen wie z.B. „hilfreiche Wesen“ und deren Verstärkung durch gestalterische Umsetzung
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Übungen zur achtsamen Körperwahrnehmung, Wahrnehmungsverarbeitung und Sinneswahrnehmung, Achtsamkeitsübungen, Kognitive Therapien wie Training von Gedächtnis, Konzentration, Orientierung, Merkfähigkeit
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Belastungserprobung
Ergotherapie in Verbindung mit Psychotherapie:
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Ergotherapie kann eine Einzelpsychotherapie in einigen Bereichen entlasten und sinnvoll ergänzen, gezielt abgesprochene Themen auf der Handlungsebene fördern/beüben, den nonverbalen Bereich mit den oft verborgenen Ressourcen stärken und die konkrete Alltagsbewältigung unterstützen; gegebenenfalls z.B. bei DIS (Dissoziativer Identitätsstörung) Unterstützung beim Erstellen und Gestalten einer inneren Landkarte, mit der dann in der Einzelpsychotherapie weitergearbeitet wird.
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Ergotherapie kann zudem hilfreich sein: in Phasen des Übergangs nach stationärem Aufenthalt, zum Ende einer Psychotherapie, bei nicht mehr bewilligten Psychotherapiestunden, in Wartezeiten auf eine Psychotherapie, bei erhöhtem Therapiebedarf in allen Phasen der Traumatherapie, in speziellen Krisenzeiten.
Verordnung von Ergotherapie:
Die Verordnung erfolgt über die jeweils behandelnden ÄrztInnen oder PsychiaterInnen auf Rezept; die Kosten tragen alle privaten/gesetzlichen Krankenkassen. Eine Rezeptverordnung enthält 10 x 60 min. Ergotherapie. Maximal 4 Rezepte (= 40 h) sind in Folge möglich; danach kann eine sogenannte ärztliche Verordnung außerhalb des Regelfalls bei begründetem weiteren Bedarf erfolgen.
Auch nach 12-wöchiger Behandlungspause ist bei Indikation eine erneute ärztliche Verordnung von
Ergotherapie wieder mit bis zu 4 Rezepten möglich.