Reaktionen von anderen Betroffenen
"Ich bin tief berührt von deinem Brief. Ich möchte den so blind unterschreiben und in meiner Seele geht ein Aufschrei, ein leiser. Wir haben ja gelernt, leise zu sein und nicht zu mucken. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: hätte meine Therapeutin nicht an mich und meine Kraft geglaubt, wäre ich schon längst gestorben. Hätte sie nicht immer wieder den Kampf mit der Kasse aufgenommen; ich wäre heute nicht mehr am Leben. Die Hölle meiner Kindheit habe ich geschafft – das kleine 6 Jahre alte Mädchen wollte leben! Immer! Und an den „Gesetzen der Krankenkasse“ gehe ich fast zugrunde.
Ich habe das Glück einen Mann zu haben, der 1000%ig hinter mir steht und die 30.000 Euro Therapiekosten (wegen Nichtzahlung der KK musste ich die Therapie selber zahlen!) der letzten 10 Jahre hat er finanziert – mit seiner Hände Arbeit. Mit Überstunden. Immer dann, wenn die KK das STOPPP-Schild hochhielt und die 2 Jahres-Frist begann, sprang er für mich in die Bresche. Oftmals ging ich auch arbeiten, mit den Symptomen der Posttraumatischen Belastungsstörung, immer zu wenig Schlaf, immer erhöhter Aufmerksamkeit, mit zerschnittenen Armen, mit meiner Borderline-Persönlichkeitsstörung, dem Restless Leg Syndrom und letztendlich auch mit der Fibromyalgie. Es folgte nach 6-9 Monaten ein Burn-Out-Syndrom. Nie habe ich mich ausgeruht und gesagt: macht mal! Was Folgekosten nach sich zog. Meine Krankheiten wären nicht so ausgeprägt und würden die Krankenkasse weniger kosten, wenn ich kontinuierlich Therapie machen würde.
Ich könnte kotzen, wenn ich lese, dass ein Täter mal wieder mit einer geringen Strafe davon kommt. Wie schon so bildhaft geschrieben wurde: etliche Jahre Vollpension mit Therapie und Resozialisierungsmaßnahmen würde auch mir zustehen, denn diese beschissene Kindheit erlaubt mir, „tätig“ zu werden. Ich plädiere ebenfalls für Traumatherapie OHNE Zeitbegrenzung. Es kann nicht sein, das sich Menschen ohne solch eine traumatischen Erfahrung (mögen sie immer davor behütet werden) Richtlinien ausdenken, die an der Wirklichkeit sowas von daneben sind.
Vertrauen ist der Schlüssel zu Heilung und Vertrauen braucht Zeit. Peggy, schreib meinen Namen unter diese Petition. Danke."
Bianca G.
"Eine Sache würde ich ebenso gern angesprochen sehen. Ich weiß, was es heißt, sexueller Gewalt ausgeliefert zu sein, doch etwas, was nie jemand anspricht, ist die Misshandlung in Form von seelischer Gewalt.
Leider musste ich auch diese Jahre lang erdulden ...und muss es heute noch. Das Problem, was ich sehe ist, dass dieser Weg sicher dringend notwendig ist, aber wieder den Fokus zu sehr auf diese Art von Misshandlung legt und die 'stille', mit Worten geführte, ausblendet. Die Menschen 'da draußen' übersehen ihn. Niemand will ihn kennen oder jemals bemerken... aber:
Jede Misshandlung hinterlässt eine Schädigung der Seele!"
Anonym
"Als Misshandlungsopfer wurde ich gezwungen zu schweigen und Gewalt und Übergriffe still zu ertragen. Erst als ich erwachsen war, wurde mir bewusst, welches Unrecht mir geschehen ist. Die Misshandlungen und das Schweigen haben mich krank gemacht. Damals konnte ich mich nicht wehren. Heute ist es ein Kraftakt. Es mag polemisch klingen, aber ich kämpfe "um mein Leben". Um meine Ausbildung, die ich immer wieder unterbrechen musste. Um ein soziales Umfeld, vor dem ich mich auch mit den Narben aus meiner Vergangenheit zeigen darf. Und eben vor allem um meine Gesundheit. Ich möchte gesund werden. Ich warte darauf, dass ich erneut eine Therapie beginnen darf, die meine Krankenkasse finanziert. Bis dahin halte ich mich mit unregelmäßigen Gesprächen bei einer Beratungsstelle und mit Hilfe meiner Psychiaterin über Wasser. Ich habe mich oft gefragt, warum mit Opfern von sexueller Gewalt so umgegangen wird. Warum ich Bittstellerin bin, wenn ich mir diese Situation nicht ausgesucht habe.
Ich möchte nicht verbittert sein und doch lässt sich die Haltung vom System Sozialstaat meist nur mit einem bitteren Lächeln ertragen."
Anonym
"Ich habe als Betroffene das Schreiben gelesen und befürworte es. Ich finde mich bzw. meine persönliche Situation an vielen Stellen wieder. Der Brief hat mich aufgewühlt und letztendlich habe ich mich dazu entschlossen, diese Aktion mit meiner Unterschrift zu unterstützen. Der Umgang mit Betroffenen bzw. mit Opfern ist mehr als sträflich. Jeder Täter wird besser und auf Staatskosten betreut und therapiert. Wie kann so etwas sein?
Die Suche nach einem geeigneten Therapieplatz ähnelt ganz oft einer Odysee.
Es ist beschämend und einfach nur schrecklich. Und hat man endlich einen Therapieplatz gefunden geht der Kampf um die Kostenübernahme los. Das ganze Procedere ist für jede/n Betroffene/n ein Spießrutenlauf und eine enorme zusätzliche Belastung. Für unser Land ist es eine Schande."
Claudia Hoffmann
"Ich finde Deinen Brief super und Du darfst auch gerne meinen Namen mit darunter setzen."
Victoria-Carina Bluhm
"Ich kann das Geschriebene nur unterstützen. Und doch möchte ich es noch ergänzen.
Es r.e.i.c.h.t! Immer wieder Täterschutz! Täter bekommen Unterstützung, sie werden therapiert und auf STAATSKOSTEN inhaftiert.
Und wer kümmert sich um die Opfer? Wo bleiben die? Sie bekommen - wenn überhaupt - eine ambulante Therapie. Das bedeutet, dass sie am Ende der Therapiestunde so stabil sein müssen, dass sie ihren Alltag bewältigen können. Gehen Sie bitte mal in sich.... und stellen sich vor, sie wären misshandelt und vergewaltigt worden... Und stellen Sie sich vor, das ganze wäre über viele Jahre passiert. Und dann wird von Ihnen erwartet, dass sie stabil nach Hause gehen.... Stellen Sie sich nun vor, sie wären - wie man es im Volksmund nennt- multipel? Sie hätten sog. Innenpersonen, unter anderem kleine Kinder... Und sie müssten mit dem Verstand und den Gefühlen eines 3-Jährigen die Therapiepraxis verlassen, um danach zur Arbeit zu fahren? Sie könnten das? Glückwunsch! Ehrlich, das ist eine reife Leistung. Ich kann es nicht. Und ich werde es vermutlich mehr als 60-80 Therapiestunden brauchen, um genau das, was gefordert wird, auch erfüllen zu können.
Eine wirkliche tief gehende und wirksame Therapie ist oft nur in einer Klinik möglich. Es gibt in Deutschland aber so wenig dafür ausgelegte Kliniken, dass die Wartezeiten horrend lang sind. Und was machen die Krankenkassen? Sie übernehmen die Kosten nicht, denn unser Gesundheitssystem sieht sich nur noch für „Akutfälle“ zuständig.
In meinem Leben gab es oft genug Absagen und Ablehnungen. Nein, nicht nur von Krankenkassen, sondern von Jugendämtern und der Polizei! Das Jugendamt meiner Heimatstadt sah sich nicht zuständig. Ein Familienmitglied von mir -der Täter hat die Mitarbeiterin des Jugendamtes bedroht. Diese hat fluchtartig das Haus verlassen, weil sie Angst um ihr Leben hatte. MEIN LEBEN war ihr egal! Und auch die Polizei hat mich mit dem Täter allein gelassen. Denn damals wurden Misshandlungen in der eigenen Familie lieber totgeschwiegen. Die Täter waren immer die bösen Unbekannten.
WANN wird endlich verstanden, dass Millionen Kinder hier in Deutschland von ihren eigenen Familienangehörigen misshandelt und vergewaltigt werden???
Ich selbst wäre fast straffällig geworden. Meine Täter blieben straf frei. Alles was ich hätte tun können, wäre ein Amoklauf oder ein gezielter Mord gewesen. Das wäre im übrigen auch sehr lukrativ gewesen.... „Hotel“ mit Vollpension, Therapie weit über 80 Stunden hinaus und anschließende Resozialisierung....
Vielleicht muss also erst was passieren, damit was passiert!"
Anonym
"Erstens finde ich deinen Brief echt bewegend und richtig treffend formuliert.
Momentan geht es immer wieder nur darum: "Kinder werden da und dort misshandelt", aber dass es am meisten in der eigenen Familie passiert, das bringen sie so gar nicht. Finde es auch super wie du das Ganze beschrieben hast, was es für ein Hürdenlauf ist, wenn man Hilfe sucht und ständig vertröstet wird, aber es wird nichts getan. Die Krankenkasse will eine Psychotherapie nicht bezahlen bei mir, weil sie erst von einem Arzt bewiesen haben wollen, dass ich das auch wirklich benötige, und dann wollen sie erst darüber entscheiden.
Wenn man Hilfe vom Staat möchte oder anders gesagt braucht, dann wird es einem erstmal verweigert. Auch mit dem OEG ist es nicht anders: man muss als "Opfer" alles beweisen, aber die Täter nicht. Wo sind wir denn. Bei der Verhandlung bei mir sieht es auch nicht so gut aus, da wahrscheinlich dem Täter Recht gegeben wird, weil ich ja keine Zeugen für das Ganze habe. Da versteht man den Rechtsstaat. Dem Täter wird geglaubt und uns, die wir das schon alles in unserer Vergangenheit durchmachen mussten, müssen es noch beweisen, dass es so stimmt. Es wird alles hinterfragt, nur bei den Tätern nicht. Und zusätzlich haben wir immer noch damit zu kämpfen, unsere Vergangenheit, also die Misshandlungen - ob seelisch oder sexuell - zu verarbeiten bzw. mit den Folgen klarzukommen. Versuchen, damit normal arbeiten gehen zu können, was oftmals nicht geht, da man sehr oft Probleme hat, egal in welcher Art: ob Konzentration oder andere.
Es ist und bleibt für uns ein härterer Kampf. Wir müssen dazu immer und überall um Hilfe betteln und kämpfen. Vor allem aber gibt es viel zu wenig Angebote für professionelle Hilfe für uns. Oder Stellen, an wir uns wenden können, vor allem wenn es akut ist und nicht warten kann."
Manuela K.
"Ja, ich bin eine Betroffene von unfähigen Eltern.... Mein Vater war der Meinung, dass ich sein Eigentum sei, seit ich 7 Jahre alt bin... Entjungfert hat er mich mit 11 Jahren, weil mir jemand anders ja weh tun könnte.... Er hat keine körperliche Gewalt ausgeübt.... es waren mehr diese Dinge wie "eine brave Tochter macht das" und "in anderen Ländern wird es doch auch gemacht" und ich sei ja noch so unverbraucht und frisch....abgesehen davon müsste "Mann" ja mal ausprobieren wie sich eine Jungfrau anfühlt... Als mit 16 diese sexuellen Übergriffe endeten, bevorzugte er es, mich zu demütigen und meinte, dass ich nichts wert sei außer für die Küche, Kinder und zum Bier holen....
Das ging so bis ich mit 26 Jahren zu Hause auszog.... Meine Mutter wusste von den körperlichen Übergriffen, doch sie schaute weg, gab mir die Schuld und ich durfte Babysitterin für meine Brüder sein....
Ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben wurde mir verwehrt.... Ich durfte nicht mit den Nachbarskindern spielen, hatte immer meine Brüder an der Backe. Ich musste pünktlich sein - nur meine Brüder hatten mehr Spielraum...
Eine der Folgen ist massive Adipositas....über Jahre hinweg hab ich sämtliche negativen Gefühle mit Essen kompensiert.... Eine der Diagnosen hieß "Binge Eating Disorder"....
Heute bin ich dreifache Mutter und habe keinerlei Faden, den ich nutzen könnte, um meine Kinder zu erziehen.... nichts außer dem Wissen, dass sie eine andere Kindheit erleben sollen...
Doch leider ist es so, dass ich es nicht gewährleisten kann, nicht immer. In der Retraumatisierungsphase war ich sehr überfordert, überlastet....Hatte häufig Heulkrämpfe, weil ich nicht weiter wusste...
Ich hab eine Reha-Einheit hinter mir und bin in ambulanter Betreuung, mache zusätzlich eine Familientherapie, die mir helfen soll, meine Kinder besser zu verstehen, mir helfen soll zu wissen was "richtig" ist...
Ich betrachte mich als arbeitsfähig....bzw. studierfähig - aber es kostet Kraft, sehr viel Kraft.... und es braucht nur eine Erinnerung zu kommen, eine unvorhergesehene Handlung meiner Kinder - und ich bin in einer Abwertungsspirale gefangen und verfange mich immer mehr in Depressionen oder Aggressionen, wenn ich es "fühlen" kann... meist ist es eher untergründig und ich bekämpfe dieses unterschwellige Unwohlsein mit Essen....
Ach ja - und um es nicht zu vergessen - meine Retrauma brach erst 12 Jahre nach dem Ende der sexuellen Misshandlungen über mich herein, und das nur weil mein Vater sterbenskrank war...."
N. M.
"Ich habe den Brief von Peggy gelesen und kann ihr da in allen Punkten nur zustimmen! Ich bin selber Betroffene, weiß was es heißt, mit den Folgen von jahrelanger Gewalt und sexueller Misshandlung zu leben. Ich habe schon viel schlechte Erfahrungen machen müssen im Umgang mit Behörden, Krankenkassen usw., musste mir vieles erkämpfen.
Ich wäre z.B. auch dafür, dass endlich mal die Verjährungsfristen für sexuelle Gewalt geändert würden, da viele Opfer sich oft erst viele Jahre später an die Ereignisse erinnern können, es dann aber oft zu spät ist für eine Anzeige des/der Täter. Auch dass Therapien länger genehmigt würden von den Kassen, da Traumatherapien nun mal sehr langwierig sind, der vorgegebene Zeitraum hierfür aber oft nicht ausreicht.
Ich hoffe und wünsche, dass sich die Verantwortlichen mehr mit den Themen auseinandersetzen, aus der Sicht der Opfer, denn die müssen ein Leben lang mit den Folgen kämpfen, haben oft keinen guten Stand in der Gesellschaft.
Ich möchte das Engagement von Peggy unterstützen, weil einfach noch viel getan werden muss, um Opfern eine ausreichende Hilfe zukommen zu lassen, damit sie nicht um und für alles immer nur kämpfen müssen!"
Gaby W.