Antragsverfahren - die
häufigsten Fragen
Wie
stelle ich einen Antrag auf Psychotherapie?
Den Antrag stellt
die/der behandelnde PsychotherapeutIn je nach (gemeinsam mit der/dem
KlientIn) geschätztem Bedarf. Nach Ablauf der probatorischen
Sitzungen wird eine ärztliche Überweisung
für Psychotherapie nötig, die der/die TherapeutIn
zusammen mit dem Antrag und der Antragsbegründung an die
Krankenkasse schickt.
Ist die
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses bindend?
Theoretisch: nein.
Praktisch: die Krankenkassen halten sich daran fest.
Es ist aber - wie
der Name schon sagt - eine Richtlinie, kein Gesetz. Nach dem
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch haben Versicherte einen Anspruch
auf psychotherapeutische Behandlung:
§
27 SGB V:
"(1)
Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig
ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die
Krankenbehandlung umfasst
1. Ärztliche
Behandlung einschließlich Psychotherapie als
ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, (...)"
Gibt es
im Rahmen der Richtlinie die Möglichkeit, mehr Therapiestunden
bewilligt zu bekommen als die angegebenen Kontingente?
In der Richtlinie
wird für die Überschreitung des üblichen
Kontingents Folgendes eingeräumt:
§ 23b (1) 8:
Eine
Überschreitung des in Nummer 1 bis 7 festgelegten
Therapieumfanges ist (...) nur zulässig, wenn aus
der Darstellung des therapeutischen Prozesses hervorgeht, dass mit der
Beendigung der Therapie das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann,
aber begründete Aussicht auf Erreichung des Behandlungsziels
bei Fortführung der Therapie besteht. 2) Dabei sind
grundsätzlich die folgenden Höchstgrenzen
einzuhalten:
-
analytische
Psychotherapie 300 Stunden, in Gruppen 150 Doppelstunden,
-
tiefenpsychologisch
fundierte Psychotherapie 100 Stunden, in Gruppen 80 Doppelstunden,
-
Verhaltenstherapie
80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden,
-
bei
analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie von
Kindern 150 Stunden, in Gruppen 90 Doppelstunden, bei
Verhaltenstherapie von Kindern 80 Stunden einschließlich
Gruppentherapie in Doppelstunden,
-
bei
analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie von
Jugendlichen 180 Stunden, in Gruppen 90 Doppelstunden, bei
Verhaltenstherapie von Jugendlichen 80 Stunden einschließlich
Gruppentherapie in Doppelstunden.
Für eine
Verlängerung muss die/der TherapeutIn ausführlich
begründen, warum mehr Stunden nötig sind. Die
Bewilligung hängt von der Einschätzung der/des
GutachterIn ab, dem der Antrag von der Krankenkasse vorgelegt wird.
Was, wenn
auch die maximal mögliche Stundenanzahl nach der Richtlinie
nicht ausreicht?
Grundsätzlich
kann versucht werden, bei der Krankenkasse so viele Stunden wie
nötig sind zu beantragen. Hierzu ist zu empfehlen, ca. zehn
Stunden vor Ablauf der bewilligten Stunden einen
Verlängerungsantrag zu stellen. Den Antrag stellt wie oben
beschrieben die/der behandelnde TherapeutIn. In den Antrag wird die
beantragte Stundenzahl eingetragen und beigefügt eine
ausführliche Begründung der/des TherapeutIn.
Was,
wenn mein/e Therapeut/in keinen Verlängerungsantrag stellen
möchte, obwohl ich noch weitere Behandlung benötige?
Das
Antragsverfahren ist für BehandlerInnen eine große
Zusatzbelastung. Manche sind deshalb schon gar nicht mehr bereit, mit
gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Andere begleiten nur so lange,
wie die Krankenkasse relativ unkompliziert die Kosten
übernimmt. Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie bzw.
die/der TherapeutIn eine Verlängerung "über das
übliche Maß hinaus" beantragen könnten.
Es
ist ratsam, bei Aufnahme einer Psychotherapie, besonders wenn es um die
Behandlung komplexer Traumafolgen gehen soll, mit der/dem TherapeutIn
zu klären, wie bei Ausschöpfung des
Richtlinien-Kontingents verfahren werden soll. Es ist NICHT
ungewöhnlich (eher ganz im Gegenteil), dass eine
Traumatherapie deutlich mehr Zeit braucht als die Richtlinie
berücksichtigt. Viele Betroffene geraten in akute Krisen durch
den Eindruck, sie hätten sich "nicht genug angestrengt" oder
seien "zu langsam" beim Heilen. Ihnen soll diese Initiative
Gehör schenken und die Möglichkeit geben zu sehen,
dass viele Tausende das Gleiche erleben und sie durch viele Fachleute
in ihrer Not gesehen und in ihren Forderungen nach angemessener
Psychotherapie unterstützt werden!
Auf den weiteren
Seiten in diesem Bereich versuchen wir so viele Informationen wie
möglich zusammenzustellen, um Betroffenen und ihren
(professionellen) Verbündeten Möglichkeiten
aufzuzeigen, für ihr Recht zu kämpfen.
Warum
muss ich nach Ausschöpfung des Stundenkontingents zwei Jahre
Pause in der Therapie einhalten bevor ich einen neuen Antrag stellen
kann?
Diese Information
ist nicht ganz korrekt.
aus: "Kommentar
Psychotherapierichtlinie", Faber-Haarstrick, 9. Auflage 2011:
Seit
Jahrzehnten hält sich bei vielen Therapeuten die Vorstellung,
innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Therapie dürfe keine neue Therapie bei der
Krankenkasse beantragt werden. Diese Auffassung ist falsch. Richtig ist
vielmehr laut §11 Absatz 4 der Psychotherapie-Vereinbarungen,
dass eine Neubeantragung einer Therapie innerhalb dieser
Zweijahrespflicht auf jeden Fall gutachterpflichtig ist.
(...)
Dagegen
können bei einem Wechsel des Therapeuten oder des Verfahrens
für die neue Therapie ggf. die vollen Kontingente ohne
Anrechnung der vorher bewilligten zur Verfügung stehen.
Auszug aus EBM
35200:
Vielfach
wird aufgrund der "2-Jahres-Regelung" in §11 Absatz 4 Satz 6
der Psychotherapie-Vereinbarung die Auffassung vertreten, dass eine
Neubeantragung einer Psychotherapie erst nach Ablauf von zwei Jahren
nach Beendigung einer Psychotherapie möglich ist. Dies ist so
nicht richtig. Eine (Neu-)Beantragung einer Psychotherapie ist dann
möglich, wenn das Wirtschaftlichkeitsgebot des §70
SGB V (ausreichend, zweckmäßig, das Maß
des Notwendigen nicht überschreitend) beachtet wurde und eine
Indikation gemäß Abschnitt D, §22
Absätze 1, 2, 4 und 5 der Psychotherapie-Richtlinie vorliegt.
Es besteht
allerdings Gutachterpflicht für diese Anträge, was
viele TherapeutInnen vor dem aufwendigen Antragsverfahren
zurückschrecken lässt, da GutachterInnen
häufig nicht geschult sind in der Bewertung von
therapeutischen Behandlungen komplexer postraumatischer Belastungen.
Das wissen wir aus den Rückmeldungen hunderter Betroffener und
HelferInnen, die uns geschrieben und/oder an unserer Online-Umfrage
2011/2012 teilgenommen haben.
Kann ich
die/den GutachterIn persönlich kontaktieren, um meinen Bedarf
an Therapie zu begründen?
Manche Betroffene
berichten, dass sie das versucht haben. In der Regel ist das nicht
vorgesehen. Es ist aber nicht "verboten", die/den SachbearbeiterIn der
Krankenkasse zu bitten, einen verschlossenen Umschlag mit einem
persönlichen Schreiben an die/den GutachterIn weiterzureichen.
Wir haben Kontakt
zu TherapeutInnen, die sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben, dass
sie selbst mit den GutachterInnen telefonieren und die Dringlichkeit
des "Falles" erklären. Das braucht natürlich viel
Zeit und persönliches Engagement und ist nicht
selbstverständlich.